Steuerrecht Rechtsprechung Vereinbarkeit der deutschen Verrechnungspreisvorschriften mit EU-Recht Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C-436/00 on RA/StB Dr Heinz-Klaus Kroppen, LL. M. und Lars Rehfeld, Rechtsreferendar. Deloitte Touche. Dusseldorf I. Einleitung Schon seit einiger Zeit werden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit deut scher Verrechnungspreisvorschriften und insbesondere des$ 1 AStG mitEU- Recht geauBert So hatte der bFH in seinem Beschl. V. 21. 6. 2001, Az. I B 141/00 ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des$ 1 AStG mit den vorgaben des europaischen Rechts geauBert (BFHE 195, S 398). Auch Stimmen in der 1 AStG EU-rechtswidrig ist (vgl. u a. Eigelshoven, Gemeinschaftsrechtliche Bedenken des bFH gegen$1 AStG, IWB 2001, F 3 Gr 1S. 1761; Bauschatz, Steuerlicher Gestalt brauch und Europarecht-Offnung der Steuersysteme im Recht der direkter Steuern der EU-Mitgliedstaaten und Abwehr grenzuberschreitender gestal- tungen durch Missbrauchsvorschriften anhand ausgewahlter Beispiele des deutschen Steuerrechts(Teil I), IStR 2002, S 291 und 333; Koplin/Sedemund Quod erat expectandum! -Einige Uberlegungen zum Beschluss des BFH vom 21. 6. 2001, IStR 2002, S. 120; Borstell/ Bruinninghaus /Dworaczek, Zw fel an der RechtmaBigkeit von Verrechnungspreiskorrekturen nach$ 1 AStG IStR 2001, S 757; Brenner, Vereinbarkeit des AStG mit dem EG-Vertrag, KFR 2001, F 11 AStG$ 1, 2/01, S. 383: Menck, Gemeinschaftsrecht und Koharenz der Ertragsbesteuerung, IWB 2002, F 2 S. 715; Pfuger, Hinzurechnungsbe- steuerung nach$ 1 AStG ist europarechtlich bedenklich, PIStB 2001, S 260 Am 21. 11. 2002 hat der EuGH in der Rs. C-436/00 ein Urteil gefallt, welches dievorgetragenenBedenkenbestatigt(abrufbarunterwww.curia.eu.int) Il. Tatbestand des Urteils Zwei schwedische Staatsangehorige Xund Y mit Wohnsitz in Schweden woll ten ihre Aktien an der X-A B. einer schwedischen Gesellschaft zu deren An- schaffungskosten auf die Z-A. B, eine weitere schwedische Gesellschaft bertragen, deren alleiniger Anteilseigner die Y-s.A eine belgische gesell. schaft, war(EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 14, n V). Das einschl- gige schwedische Recht sieht fur solche Ubertragungen in Art. 3 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes(SIL) unterschiedliche Rechtsfolgen vor, je nach dem, ob die empfangende Gesellschaft eine schwedische oder auslandische Gesellschaft ist, oder schwedische oder auslandische Anteilseigner hat wah rend bei einer Ubertragung auf eine schwedische Gesellschaft mit schwed schen Anteilseignern der Buchwert bzw die Anschaffungskosten oder der tat sachlich gezahlte Kaufpreis angesetzt werden konnen, muss die Ubertragung der Beteiligung auf eine auslandische gesellschaft oder auf eine schwedische Gesellschaft mit auslandischen Anteilseignern zum Marktwert erfolgen, selbst wenn die Ubertragung unentgeltlich ist, mit der Folge der Besteuerung eines Gewinns beim Ubertragenden aus der Differenz zwischen Anschaf fungskosten oder Buchwert und dem Marktpreis(Art. 3 Abs. 1 SIL). IWB Nr23vom11.12.2002 1171
Steuerrecht Verrechnungspreisvorschriften Rechtsprechung Seite 617 Vereinbarkeit der deutschen Verrechnungspreisvorschriften mit EU-Recht Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C-436/00 von RA/StB Dr. Heinz-Klaus Kroppen, LL.M. und Lars Rehfeld, Rechtsreferendar, Deloitte & Touche, Düsseldorf I. Einleitung Schon seit einiger Zeit werden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit deutscher Verrechnungspreisvorschriften und insbesondere des § 1 AStG mit EURecht geäußert. So hatte der BFH in seinem Beschl. v. 21. 6. 2001, Az. I B 141/00 ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des § 1 AStG mit den Vorgaben des europäischen Rechts geäußert (BFHE 195, S. 398). Auch Stimmen in der Literatur sind schon lange der Auffassung, dass § 1 AStG EU-rechtswidrig ist (vgl. u. a. Eigelshoven, Gemeinschaftsrechtliche Bedenken des BFH gegen § 1 AStG, IWB 2001, F. 3 Gr. 1 S. 1761; Bauschatz, Steuerlicher Gestaltungsmissbrauch und Europarecht — Öffnung der Steuersysteme im Recht der direkten Steuern der EU-Mitgliedstaaten und Abwehr grenzüberschreitender Gestaltungen durch Missbrauchsvorschriften anhand ausgewählter Beispiele des deutschen Steuerrechts (Teil I), IStR 2002, S. 291 und 333; Köplin/Sedemund, Quod erat expectandum! — Einige Überlegungen zum Beschluss des BFH vom 21. 6. 2001, IStR 2002, S. 120; Borstell/Brünninghaus/Dworaczek, Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Verrechnungspreiskorrekturen nach § 1 AStG, IStR 2001, S. 757; Brenner, Vereinbarkeit des AStG mit dem EG-Vertrag, KFR 2001, F. 11 AStG § 1, 2/01, S. 383; Menck, Gemeinschaftsrecht und Kohärenz der Ertragsbesteuerung, IWB 2002, F. 2 S. 715; Pflüger, Hinzurechnungsbesteuerung nach § 1 AStG ist europarechtlich bedenklich, PIStB 2001, S. 260). Am 21. 11. 2002 hat der EuGH in der Rs. C-436/00 ein Urteil gefällt, welches die vorgetragenen Bedenken bestätigt (abrufbar unter www.curia.eu.int). II. Tatbestand des Urteils Zwei schwedische Staatsangehörige X und Y mit Wohnsitz in Schweden wollten ihre Aktien an der X-A.B., einer schwedischen Gesellschaft, zu deren Anschaffungskosten auf die Z-A.B., eine weitere schwedische Gesellschaft, übertragen, deren alleiniger Anteilseigner die Y-S.A., eine belgische Gesellschaft, war (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 14, n. V.). Das einschlä- gige schwedische Recht sieht für solche Übertragungen in Art. 3 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (SIL) unterschiedliche Rechtsfolgen vor, je nachdem, ob die empfangende Gesellschaft eine schwedische oder ausländische Gesellschaft ist, oder schwedische oder ausländische Anteilseigner hat. Während bei einer Übertragung auf eine schwedische Gesellschaft mit schwedischen Anteilseignern der Buchwert bzw. die Anschaffungskosten oder der tatsächlich gezahlte Kaufpreis angesetzt werden können, muss die Übertragung der Beteiligung auf eine ausländische Gesellschaft oder auf eine schwedische Gesellschaft mit ausländischen Anteilseignern zum Marktwert erfolgen, selbst wenn die Übertragung unentgeltlich ist, mit der Folge der Besteuerung eines Gewinns beim Übertragenden aus der Differenz zwischen Anschaffungskosten oder Buchwert und dem Marktpreis (Art. 3 Abs. 1 SIL). 11a IWB Nr. 23 vom 11. 12. 2002 - 1171 -
X und Y beantragten eine verbindliche Auskunft bei der Steuerverwaltung mit der Begrundung, die unterschiedliche Behandlung beider Vorgange ver toBe gegen die Niederlassungsfreiheit, die Kapitalverkehrsfreiheit und das schwedisch-belgische DBA (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 19 ff n.V.). Die schwedische Steuerverwaltung ging in ihrem Vorbescheid davon aus, dass die Ubertragung zum Marktwert erfolgen musse. Ein VerstoB gegen Gemeinschaftsrecht sei darin nicht zu sehen. Dagegen erhoben X und Y Klage eim Regeringsratt, welcher dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit der schwedischen Regelung mit den grundfreiheiten aus Art. 43 EG (Niederlas- sungsfreiheit)und 56 EG(Kapitalverkehrsfreiheit) gem. Art. 234 EG zur Vor- abentscheidung vorlegte IIL. Entscheidung des eugh Der EuGH hat im Hinblick auf die oben beschriebene schwedische Regelung entschieden, dass es der Niederlassungsfreiheit widerspricht, die Ubertra gung von Aktien von der vergunstigung des Steueraufschubs auszuschlieBen, enn diese auf eine auslandische gesellschaft oder eine schwedische gesell schaft mit auslandischen Anteilseignern ubertragen werden und der Ubertra gende unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung an der aufnehmenden ge- sellschaft besitzt, mit der er Einfiuss auf die Entscheidungen dieser gesell schaft nehmen kann(EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 65, 75 und Tenor des Urteils, n v) Fur den Fall, dass der Ubertragende an der aufnehmenden Gesellschaft direkt oder indirekt Anteile halt, die keinen Einfluss ermoglichen, hat der EuGH einen VerstoB gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bejaht(EuGH, Rs. C-436/00 Riksskatteverk, Rn. 74 f und Tenor des Urteils, n v) Der EuGH bejahte zunachst die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit auf der vorliegenden Sachverhalt uberhaupt anwendbar sei Die schwedische Steu rverwaltung hatte dies unter Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rs Werner (EuGH, Rs. C-112/91, Werner, Slg. 1993, I-429)mit der begrundung verneint, es handle sich um einen vorgang, dessen Auswirkung auf einen Mit- gliedstaat, namlich Schweden, beschrankt sei (EuGH, Rs. C-436/00, Riks- skatteverk, Rn. 33, n V.). Diesem Argument ist der EuGH zu Recht entgege getreten, da die relevanten schwedischen Vorschriften fur die Bestimmung der echtsfolgen der Ubertragung einen auslandsbezug voraussetzen(EuGH,Rs C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 34, n. V.). Dieser kann in der direkten Ubertra ung von Anteilen an der inlandischen auf eine auslandische juristische Per- son oder auf eine schwedische Aktiengesellschaft, deren Anteilseigner eine luslandische juristische Person ist und in beiden Alternativen der ubertra gende Anteilseigner auch an der empfangenden, auslandischen Gesellschaft zumindest mittelbar beteiligt ist, liegen. Insbesondere ergibt sich aus Art. 43 EG, dass die Niederlassungsfreiheit die grundung und Leitung von Unter- nehmen, insbesondere von Gesellschaften, in einem Mitgliedstaat durch einen Angehorigen eines anderen Mitgliedstaats umfasst Somit macht ein Angeho- riger eines Mitgliedstaats, der eine Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz einem anderen Mitgliedstaat halt, die ihm einen solchen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht, dass er deren Tatigkeiten bestin men kann, von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch(EuGH, Rs C-251/98 Baars,Slg.2000,1-2787,Rn.22) lla Rechtsprechung 1172-
X und Y beantragten eine verbindliche Auskunft bei der Steuerverwaltung mit der Begründung, die unterschiedliche Behandlung beider Vorgänge verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit, die Kapitalverkehrsfreiheit und das schwedisch-belgische DBA (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 19 ff., n. V.). Die schwedische Steuerverwaltung ging in ihrem Vorbescheid davon aus, dass die Übertragung zum Marktwert erfolgen müsse. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht sei darin nicht zu sehen. Dagegen erhoben X und Y Klage beim Regeringsrätt, welcher dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit der schwedischen Regelung mit den Grundfreiheiten aus Art. 43 EG (Niederlassungsfreiheit) und 56 EG (Kapitalverkehrsfreiheit) gem. Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorlegte. III. Entscheidung des EuGH Der EuGH hat im Hinblick auf die oben beschriebene schwedische Regelung entschieden, dass es der Niederlassungsfreiheit widerspricht, die Übertragung von Aktien von der Vergünstigung des Steueraufschubs auszuschließen, wenn diese auf eine ausländische Gesellschaft oder eine schwedische Gesellschaft mit ausländischen Anteilseignern übertragen werden und der Übertragende unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung an der aufnehmenden Gesellschaft besitzt, mit der er Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft nehmen kann (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 65, 75 und Tenor des Urteils, n. V.). Für den Fall, dass der Übertragende an der aufnehmenden Gesellschaft direkt oder indirekt Anteile hält, die keinen Einfluss ermöglichen, hat der EuGH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bejaht (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 74 f. und Tenor des Urteils, n. V.). IV. Begründung Der EuGH bejahte zunächst die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit auf den vorliegenden Sachverhalt überhaupt anwendbar sei. Die schwedische Steuerverwaltung hatte dies unter Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rs. Werner (EuGH, Rs. C-112/91, Werner, Slg. 1993, I-429) mit der Begründung verneint, es handle sich um einen Vorgang, dessen Auswirkung auf einen Mitgliedstaat, nämlich Schweden, beschränkt sei (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 33, n. V.). Diesem Argument ist der EuGH zu Recht entgegengetreten, da die relevanten schwedischen Vorschriften für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Übertragung einen Auslandsbezug voraussetzen (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 34, n. V.). Dieser kann in der direkten Übertragung von Anteilen an der inländischen auf eine ausländische juristische Person oder auf eine schwedische Aktiengesellschaft, deren Anteilseigner eine ausländische juristische Person ist und in beiden Alternativen der übertragende Anteilseigner auch an der empfangenden, ausländischen Gesellschaft zumindest mittelbar beteiligt ist, liegen. Insbesondere ergibt sich aus Art. 43 EG, dass die Niederlassungsfreiheit die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften, in einem Mitgliedstaat durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats umfasst. Somit macht ein Angehö- riger eines Mitgliedstaats, der eine Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hält, die ihm einen solchen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht, dass er deren Tätigkeiten bestimmen kann, von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch (EuGH, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Rn. 22). 11a Rechtsprechung Seite 618 - 1172 -
Steuerrecht Rechtsprechung Der EuGH bejahte dann ebenfalls eine Beschrankung der Niederlassungsfrei- heit, sowohl fur den Fall der Ubertragung auf eine auslandische Gesellschaft als auch im Fall der Ubertragung auf eine schwedische Gesellschaft, die Toch tergesellschaft einer auslandischen Gesellschaft ist Im ersten Fall kann die Versagung des Steueraufschubs dazu fuhren, dass die ubertragende person ihr Recht aus Art. 43 EG-Vertrag nicht wahrnimmt, im anderen Mitgliedstaat uber eine Gesellschaft geschaftlich tatig zu werden, wodurch die ungleich- EUGH E Beschrankung der Niederlassungsfreiheit begrundet 436/00, Riksskatteverk, Rn. 36 f, n. V, unter Hinweis auf Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Rn. 22, 28 ff. und EuGH, Rs C-208/00, Uberseering, Rn. 77, n V) Fur den zweiten Fall meint der EuGH sogar, dass die Niederlassungsfreiheit bedeutungslos wurde, wenn man es zulassen wollte, dass eine Steuerverguns- tigung versagt werden kone, wenn die Muttergesellschaft der empfan enden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansassig ist (EuGH, R -436/00, Riksskatteverk, Rn. 38, n. V, unter Hinweis auf EuGH, Rs C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft, Slg. 2001, I-1727, Rn. 42) Die schwedische Steuerverwaltung hat zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit geltend ht, dass die regelung in Art. 3 Abs. 1 IL zur Abwehr von Steuerhinterziehung unerlasslich sei und damit einen zwingenden grund des offentlichen Interesses darstelle Der Gerichtshof er- kennt dieses Ziel zwar grundsatzlich als legitim an, betont aber auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung, dass pauschale Missbrauchsvorwuirfe nicht geeignet sind, die Grundfreiheiten einzuschranken, sondern nur solche Vorschriften zulassig seien, die den nationalen Gerichten eine konkrete ein zelfallprufung erlauben(EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 43 f, n V. unter Hinweis auf EuGH, Rs C-212/97, Centros, Slg. 1999, Rn. 25 ff vgl in diesem Zusammenhang auch die aufzahlung der Rechtsprechung des euGH ur missbrauchlichen Inanspruchnahme von Grundfreiheiten in EuGH, Rs C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459, Rn. 24). Im Ubrigen beziehe sich der Missbrauchsvorwurf der schwedischen Bestimmungen gerade auf die Tats- einer solchen Gesellschaft gehaltenen, schwedischen Gesellschaft. Dies sei aber der Kerngehalt der Niederlassungsfreiheit i S der Art. 43 und 48 E der als solches einen Missbrauchsvorwurf nicht rechtfertigen konnte. Als weiteren Rechtsfertigungsgrund berief sich die schwedische Steuerver- waltung auf das bei allen Mitgliedstaaten beliebte argument der Koharen des nationalen Steuersystems Dieser Grundsatz geht auf das Urteil des EuGH in der Rs. Bachmann zurick(EuGH, C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, 1-249; erneut angewendet bei vergleichbarem Sachverhalt EuGH, C-300/90 Kommission/Belgien, Sig. 1992, I-305). Der EuGH hat aber seit dieser Ent scheidung das Koharenz-Argument in keinem anderen Sachverhalt zur Rechtfertigung einer tatbestandlich eingetretenen Diskriminierung gelten lassen(Thommes, Konzernfinanzierung und Europaisches Recht, DB 2002 s.2397m.w.N) IWB Nr23vom11.12.2002 1173
Der EuGH bejahte dann ebenfalls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, sowohl für den Fall der Übertragung auf eine ausländische Gesellschaft als auch im Fall der Übertragung auf eine schwedische Gesellschaft, die Tochtergesellschaft einer ausländischen Gesellschaft ist. Im ersten Fall kann die Versagung des Steueraufschubs dazu führen, dass die übertragende Person ihr Recht aus Art. 43 EG-Vertrag nicht wahrnimmt, im anderen Mitgliedstaat über eine Gesellschaft geschäftlich tätig zu werden, wodurch die Ungleichbehandlung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit begründet (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 36 f., n. V., unter Hinweis auf EuGH, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Rn. 22, 28 ff. und EuGH, Rs. C-208/00, Überseering, Rn. 77, n. V.). Für den zweiten Fall meint der EuGH sogar, dass die Niederlassungsfreiheit bedeutungslos würde, wenn man es zulassen wollte, dass eine Steuervergünstigung dann versagt werden könne, wenn die Muttergesellschaft der empfangenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 38, n. V., unter Hinweis auf EuGH, Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft, Slg. 2001, I-1727, Rn. 42). Die schwedische Steuerverwaltung hat zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit geltend gemacht, dass die Regelung in Art. 3 Abs. 1 SIL zur Abwehr von Steuerhinterziehung unerlässlich sei und damit einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses darstelle. Der Gerichtshof erkennt dieses Ziel zwar grundsätzlich als legitim an, betont aber auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung, dass pauschale Missbrauchsvorwürfe nicht geeignet sind, die Grundfreiheiten einzuschränken, sondern nur solche Vorschriften zulässig seien, die den nationalen Gerichten eine konkrete Einzelfallprüfung erlauben (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 43 f., n. V., unter Hinweis auf EuGH, Rs. C-212/97, Centros, Slg. 1999, Rn. 25 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Aufzählung der Rechtsprechung des EuGH zur missbräuchlichen Inanspruchnahme von Grundfreiheiten in EuGH, Rs. C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459, Rn. 24). Im Übrigen beziehe sich der Missbrauchsvorwurf der schwedischen Bestimmungen gerade auf die Tatsache der Beteiligung an einer im anderen Mitgliedstaat gegründeten, oder von einer solchen Gesellschaft gehaltenen, schwedischen Gesellschaft. Dies sei aber der Kerngehalt der Niederlassungsfreiheit i. S. der Art. 43 und 48 EG, der als solches einen Missbrauchsvorwurf nicht rechtfertigen könnte. Als weiteren Rechtsfertigungsgrund berief sich die schwedische Steuerverwaltung auf das bei allen Mitgliedstaaten beliebte Argument der Kohärenz des nationalen Steuersystems. Dieser Grundsatz geht auf das Urteil des EuGH in der Rs. Bachmann zurück (EuGH, C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249; erneut angewendet bei vergleichbarem Sachverhalt EuGH, C-300/90, Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-305). Der EuGH hat aber seit dieser Entscheidung das Kohärenz-Argument in keinem anderen Sachverhalt zur Rechtfertigung einer tatbestandlich eingetretenen Diskriminierung gelten lassen (Thömmes, Konzernfinanzierung und Europäisches Recht, DB 2002, S. 2397 m. w. N.). Steuerrecht Verrechnungspreisvorschriften 11a Rechtsprechung Seite 619 IWB Nr. 23 vom 11. 12. 2002 - 1173 -
Auch im vorliegenden Fall greift das Koharenz-Argument schlussendlich nicht durch. Die Wahrung der Koharenz des nationalen Steuerrechts ist fur olche Falle anerkannt, in denen sich die gewahrung eines Steuervorteils und Steuersubjekt unmittelbar gegenuberstehen(EuGH, Rs C-35/98, Verkooile e er Ausgleich dieses Vorteils durch eine steuerliche Belastung bei demselb lg 2000, I-4071, Rn. 57 ff, m. w N. ). Im vorliegenden Fall mangelte es nach Luffassung des EuGH an dem Erfordernis der Unmittelbarkeit von Vorteils- ewahrung und Belastung, da die steuerliche Koharenz nicht auf der ebene der Einzelperson durch eine strenge Wechselbeziehung zwischen dem Ge. rinnsteueraufschub und der endgultigen Gewinnbesteuerung hergestellt wird (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 53 ff, n. V. ). Vielmehr werde der Besteuerungszugriff vorrangig durch Art. 13 Abs. 4 und 5 des DBA zwi- schen Schweden und Belgien geregelt, der dem Wohnsitzstaat des Anteilseig- ners das Besteuerungsrecht an den erzielten gewinnen unabhangig von einen vorherigen Besteuerungsaufschub im Falle der Anteilsubertragung Anschaff kosten zuweist. Insbesondere erfasse Art 13 Abs. 5 DBA. Schweden-Belgien den Fall einer Besteuerung durch den Quellenstaat der Anteile im Falle einer Wohnsitzverlegung innerhalb der vorangegangene funf Jahre und regele damit das von der nationalen Regelung des Art. 3 Abs. 1 SIL abgebildete Risiko auf Ebene des DBa abschlieBend (EuGH, Rs C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 55 f, n. v) Daruber hinaus betont das gericht hinsichtlich der VerhaltnismaBigkeit der esetzlichen Regelung, dass hier weniger einschneidende MaBnahmen mog lich gewesen waren, z. B eine Anknupfung von Steuerfolgen an den tatsach lichen endgultigen Umzug des Steuerpflichtigen und nicht bereits an die vo- raussetzung einer auslandischen oder auslandisch beherrschten gesellschaf als Empfanger der Beteiligung (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 59 n.V.). Im Ubrigen weist das Gericht im weiteren Zusammenhang mit der Ver hinderung einer moglichen Steuerhinterziehung und der Berechtigung zu wirksamen Steuerkontrollen zu Recht darauf hin. dass insoweit kein unter- shied zwischen einer Ubertragung der Anteile auf eine schwedische Gesell schaft mit schwedischen Anteilseignern oder auf eine auslandische Gesell- schaft bzw. eine auslandisch beherrschte gesellschaft bestehe In beiden fal len gehe das schwedische Besteuerungsrecht mit dem Umzug des anteilse ers von Schweden ins Ausland in gleicher Weise verloren (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 60 ff. n. V ) Nach alledem war der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nach Auffassung des euGH nicht gerechtfertigt Daruber hinaus hat das Gericht die Frage eines Versto Bes gegen die Kapital- erkehrsfreiheit aus Art. 56 EG erganzend fur solche Falle bejaht, in denen der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit mangels eines ausreichenden Einflusses des Anteilseigners auf die empfangende gesell schaft nicht eroffnet ist (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 66 ff, n v) V Bedeutung fur deutsche Verrechnungspreisvorschriften Der EuGH hat erneut festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten unter Anknuipfung an die Tatsache, dass ein Beteiligter nich eine verletzung der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EG und subsidiar auch der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EG darstellt. $1 Abs. 1 AStG lla Rechtsprechung 1174
Auch im vorliegenden Fall greift das Kohärenz-Argument schlussendlich nicht durch. Die Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuerrechts ist für solche Fälle anerkannt, in denen sich die Gewährung eines Steuervorteils und der Ausgleich dieses Vorteils durch eine steuerliche Belastung bei demselben Steuersubjekt unmittelbar gegenüberstehen (EuGH, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Rn. 57 ff., m. w. N.). Im vorliegenden Fall mangelte es nach Auffassung des EuGH an dem Erfordernis der Unmittelbarkeit von Vorteilsgewährung und Belastung, da die steuerliche Kohärenz nicht auf der Ebene der Einzelperson durch eine strenge Wechselbeziehung zwischen dem Gewinnsteueraufschub und der endgültigen Gewinnbesteuerung hergestellt wird (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 53 ff., n. V.). Vielmehr werde der Besteuerungszugriff vorrangig durch Art. 13 Abs. 4 und 5 des DBA zwischen Schweden und Belgien geregelt, der dem Wohnsitzstaat des Anteilseigners das Besteuerungsrecht an den erzielten Gewinnen unabhängig von einem vorherigen Besteuerungsaufschub im Falle der Anteilsübertragung zu den Anschaffungskosten zuweist. Insbesondere erfasse Art. 13 Abs. 5 DBASchweden-Belgien den Fall einer Besteuerung durch den Quellenstaat der Anteile im Falle einer Wohnsitzverlegung innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre und regele damit das von der nationalen Regelung des Art. 3 Abs. 1 SIL abgebildete Risiko auf Ebene des DBA abschließend (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 55 f., n. V.). Darüber hinaus betont das Gericht hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung, dass hier weniger einschneidende Maßnahmen möglich gewesen wären, z. B. eine Anknüpfung von Steuerfolgen an den tatsächlichen endgültigen Umzug des Steuerpflichtigen und nicht bereits an die Voraussetzung einer ausländischen oder ausländisch beherrschten Gesellschaft als Empfänger der Beteiligung (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 59, n. V.). Im Übrigen weist das Gericht im weiteren Zusammenhang mit der Verhinderung einer möglichen Steuerhinterziehung und der Berechtigung zu wirksamen Steuerkontrollen zu Recht darauf hin, dass insoweit kein Unterschied zwischen einer Übertragung der Anteile auf eine schwedische Gesellschaft mit schwedischen Anteilseignern oder auf eine ausländische Gesellschaft bzw. eine ausländisch beherrschte Gesellschaft bestehe. In beiden Fällen gehe das schwedische Besteuerungsrecht mit dem Umzug des Anteilseigners von Schweden ins Ausland in gleicher Weise verloren (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 60 ff., n. V.). Nach alledem war der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nach Auffassung des EuGH nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus hat das Gericht die Frage eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 56 EG ergänzend für solche Fälle bejaht, in denen der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit mangels eines ausreichenden Einflusses des Anteilseigners auf die empfangende Gesellschaft nicht eröffnet ist (EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 66 ff., n. V.). V. Bedeutung für deutsche Verrechnungspreisvorschriften Der EuGH hat erneut festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten unter Anknüpfung an die Tatsache, dass ein Beteiligter nicht im selben Mitgliedstaat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EG und subsidiär auch der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EG darstellt. § 1 Abs. 1 AStG 11a Rechtsprechung Seite 620 - 1174 -
Steuerrecht Rechtsprechung Seite 621 stellt nun im Rahmen seiner Tatbestandsvoraussetzung darauf ab, dass es sich um Geschaftsbeziehungen zum Ausland, also auch zum EU-Ausland, handelt Nur in einem solchen Fall greift die Rechtsfolge des$ 1 AStG, der Ansatz des Fremdvergleichspreis, ein. Demgegenuber ist z B die Erbringung von unent geltlichen Dienstleistungen einer deutschen Muttergesellschaft an ihre deut- sche Tochtergesellschaft einer steuerlichen Korrektur entzogen, weil solche Dienstleistungen auf Basis des bestehenden Rechts nicht einlagefahig sind (BFH, BStBI1988I,S.348;1989I,S.633) Eine weitere Ungleichbehandlung von auslandischen gegenuber inlandischen sieht der neue S 90 Abs. 3 AO i d F des Entwurfes des Steu ervergunstigungsabbaugesetzes vor(Art. 10 Nr 5 StVerg AbG). Dieser enthalt spezielle Dokumentationspfichten bei Geschaftsbeziehungen zu nahe ste. henden Personen i S des 1 Abs. 2 AStG ins Ausland. Es werden insbeson- dere Aufzeichnungen uber die wirtschaftlichen und rechtlichen grundlagen fur die Festsetzung angemessener Verrechnungspreise verlangt und durch Rechtsverordnung konkretisiert. Damit droht ausschlieblich bei grenzuber chreitenden Fallen die erhohte Gefahr von Schatzungen($ 162 Abs. 2 AO i. d. F Art. 10 Nr 7 StVergAbG), einer Umkehr der Beweislast ( 162 Abs. 3 AO i d F des Art. 10 Nr 7 StVerg AbG)und der Festsetzung von er heblichen Zuschlagen($ 162 Abs. 4 AO i d F des Art. 10 Nr 7 StvergAbG) Es kann bereits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorausge agt werden, dass sich die deutsche Steuerverwaltung zur Verteidigung dieser Vorschriften und zur Rechtfertigung des immanenten VerstoBes gegen die Niederlassungsfreiheit auf den Koharenz-Grundsatz und die notwendigkeit der Sicherstellung der Steuerbasis berufen wird Dies wird in Anbetracht des vorgenannten Urteils aber wenig Erfolg haben. In der Rs. C-436/00 v 21. 11. 2002 hat der euGH erneut betont, dass die ge fahr der Verringerung von Steuereinnahmen nicht als zwingender grund des offentlichen Interesses gilt, der eine mit der Niederlassungsfreiheit grund R209d C-410/98, Metallgesellschaft, Slg. 2001, I-1727, Rn. 59; EuGH, Rs. C-307/97, I-6161, Rn. 50). Auch der Koharenz-Grundsatz kann die ungleichbehandlung in beiden Vorschriften nicht rechtfertigen Dieser Grundsatz setzt nach der o.g. Definition des EuGH voraus, dass der steuerliche Vorteil und Nachteil in der Person desselben Steuerpfichtigen entstehen. Dies ist aber bei der rektur von Preisen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft ler Fall. weil sich der Nachteil eines eventuell zu hohen und der vorteil eventuell zu niedrigen Preises immer bei zwei unterschiedlichen Steuer pflichtigen verwirklicht. Wenig Trost werden die deutsche Steuerverwaltung und der deutsche Steuergesetzgeber in diesem Zusammenhang auch in den Schlussantragen der Generalanwalte Alber und Mischo in den Rs Bosal Hol. ding B V und Lankhorst-Hohorst GmbH finden(Rs. C-168/01 und C-324/00; dazu Thommes, DB 2002, S 2397) So hat etwa Generalanwalt Alber in Rn. 72 seines Schlussantrages wortlich festgestellt: m Im Ergebnis ist also Voraussetzung fur eine gemeinschaftskon- forme Regelung durch den niederlandischen Gesetzgeber die Gleichbehand IWB Nr23vom11.12.2002
stellt nun im Rahmen seiner Tatbestandsvoraussetzung darauf ab, dass es sich um Geschäftsbeziehungen zum Ausland, also auch zum EU-Ausland, handelt. Nur in einem solchen Fall greift die Rechtsfolge des § 1 AStG, der Ansatz des Fremdvergleichspreis, ein. Demgegenüber ist z. B. die Erbringung von unentgeltlichen Dienstleistungen einer deutschen Muttergesellschaft an ihre deutsche Tochtergesellschaft einer steuerlichen Korrektur entzogen, weil solche Dienstleistungen auf Basis des bestehenden Rechts nicht einlagefähig sind (BFH, BStBl 1988 II, S. 348; 1989 II, S. 633). Eine weitere Ungleichbehandlung von ausländischen gegenüber inländischen Beteiligungen sieht der neue § 90 Abs. 3 AO i. d. F. des Entwurfes des Steuervergünstigungsabbaugesetzes vor (Art. 10 Nr. 5 StVergAbG). Dieser enthält spezielle Dokumentationspflichten bei Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen i. S. des § 1 Abs. 2 AStG ins Ausland. Es werden insbesondere Aufzeichnungen über die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für die Festsetzung angemessener Verrechnungspreise verlangt und durch Rechtsverordnung konkretisiert. Damit droht ausschließlich bei grenzüberschreitenden Fällen die erhöhte Gefahr von Schätzungen (§ 162 Abs. 2 AO i. d. F. des Art. 10 Nr. 7 StVergAbG), einer Umkehr der Beweislast (§ 162 Abs. 3 AO i. d. F. des Art. 10 Nr. 7 StVergAbG) und der Festsetzung von erheblichen Zuschlägen (§ 162 Abs. 4 AO i. d. F. des Art. 10 Nr. 7 StVergAbG). Es kann bereits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden, dass sich die deutsche Steuerverwaltung zur Verteidigung dieser Vorschriften und zur Rechtfertigung des immanenten Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit auf den Kohärenz-Grundsatz und die Notwendigkeit der Sicherstellung der Steuerbasis berufen wird. Dies wird in Anbetracht des vorgenannten Urteils aber wenig Erfolg haben. In der Rs. C-436/00 v. 21. 11. 2002 hat der EuGH erneut betont, dass die Gefahr der Verringerung von Steuereinnahmen nicht als zwingender Grund des öffentlichen Interesses gilt, der eine mit der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich unvereinbare Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag (EuGH, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695, Rn. 25 ff.; EuGH, Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft, Slg. 2001, I-1727, Rn. 59; EuGH, Rs. C-307/97, I-6161, Rn. 50). Auch der Kohärenz-Grundsatz kann die Ungleichbehandlung in beiden Vorschriften nicht rechtfertigen. Dieser Grundsatz setzt nach der o. g. Definition des EuGH voraus, dass der steuerliche Vorteil und Nachteil in der Person desselben Steuerpflichtigen entstehen. Dies ist aber bei der Korrektur von Preisen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft nicht der Fall, weil sich der Nachteil eines eventuell zu hohen und der Vorteil eines eventuell zu niedrigen Preises immer bei zwei unterschiedlichen Steuerpflichtigen verwirklicht. Wenig Trost werden die deutsche Steuerverwaltung und der deutsche Steuergesetzgeber in diesem Zusammenhang auch in den Schlussanträgen der Generalanwälte Alber und Mischo in den Rs. Bosal Holding B.V. und Lankhorst-Hohorst GmbH finden (Rs. C-168/01 und C-324/00; dazu Thömmes, DB 2002, S. 2397). So hat etwa Generalanwalt Alber in Rn. 72 seines Schlussantrages wörtlich festgestellt: „Im Ergebnis ist also Voraussetzung für eine gemeinschaftskonforme Regelung durch den niederländischen Gesetzgeber die GleichbehandSteuerrecht Verrechnungspreisvorschriften 11a Rechtsprechung Seite 621 IWB Nr. 23 vom 11. 12. 2002 - 1175 -
lung nationaler und grenzuberschreitender Unternehmensgruppen " Thom- nes hat aus den Schlussantragen der Generalanwalte Alber und Mischo zu echt den grundsatz abgeleitet, dass jegliche steuerliche Differenzierung bei er Behandlung eines EU-Auslandssachverhalts im Vergleich zum Inlands- achverhalt EU-rechtlich unzulassig ist, wenn dadurch die auslandstatigkeit behindert oder weniger attraktiv als die inlandstatigkeit gestaltet wird (Thommes, DB 2002, S 2402). Einschrankend ist dazu sicherlich anzumerken dass ein Eingriff in den Anwendungsbereich der grundfreiheiten allerdings dann gerechtfertigt werden kann, wenn mit der nationalen Bestimmung ein mit dem EGV zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und die Norm durch zwin gende grunde des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (so ausdrucklich der EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 49, n. V.). Allerdings sind solche Grunde nicht ersichtlich, bzw. die in den letzten Jahren angefuhrten, wurden vom EuGH weitestgehend nicht anerkannt (vgl. die aufzahlung der aner- kannten Grunde in EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 51, n. v.). Im Lichte der Schlussantrage der Generalanwalte Alber und Mischo in den Rs Bosal Holding B V und Lankhorst-Hohorst gmbH und der Entscheidung des EuGH in der Rs. Riksskatteverk waren die deutsche Finanzverwaltung AStG und der ss 90 und 162 Ao in der Form des Steuervergunstigungsab- baugesetzes zu uberdenken Es ist an der Zeit, das gesamte System der einkommensteuerlichen turvorschriften im Lichte des Europarechts zu uberprufen, zu vere chen und zu systematisieren. Ansonsten lauft die Bundesrepublik D and Gefahr dass steuerliche Korrekturen in diesem Bereich mit der der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit behaftet sind lla Rechtsprech 1176-
lung nationaler und grenzüberschreitender Unternehmensgruppen.“ Thömmes hat aus den Schlussanträgen der Generalanwälte Alber und Mischo zu Recht den Grundsatz abgeleitet, dass jegliche steuerliche Differenzierung bei der Behandlung eines EU-Auslandssachverhalts im Vergleich zum Inlandssachverhalt EU-rechtlich unzulässig ist, wenn dadurch die Auslandstätigkeit behindert oder weniger attraktiv als die Inlandstätigkeit gestaltet wird (Thömmes, DB 2002, S. 2402). Einschränkend ist dazu sicherlich anzumerken, dass ein Eingriff in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten allerdings dann gerechtfertigt werden kann, wenn mit der nationalen Bestimmung ein mit dem EGV zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und die Norm durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (so ausdrücklich der EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 49, n. V.). Allerdings sind solche Gründe nicht ersichtlich, bzw. die in den letzten Jahren angeführten, wurden vom EuGH weitestgehend nicht anerkannt (vgl. die Aufzählung der anerkannten Gründe in EuGH, Rs. C-436/00, Riksskatteverk, Rn. 51, n. V.). Im Lichte der Schlussanträge der Generalanwälte Alber und Mischo in den Rs. Bosal Holding B.V. und Lankhorst-Hohorst GmbH und der Entscheidung des EuGH in der Rs. Riksskatteverk wären die deutsche Finanzverwaltung und der deutsche Gesetzgeber deshalb gut beraten, die Vorschriften des § 1 AStG und der §§ 90 und 162 AO in der Form des Steuervergünstigungsabbaugesetzes zu überdenken. Es ist an der Zeit, das gesamte System der einkommensteuerlichen Korrekturvorschriften im Lichte des Europarechts zu überprüfen, zu vereinheitlichen und zu systematisieren. Ansonsten läuft die Bundesrepublik Deutschland Gefahr, dass steuerliche Korrekturen in diesem Bereich mit dem Makel der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit behaftet sind. e 11a Rechtsprechung Seite 622 - 1176 -